Humanethologisches Filmarchiv
     
    der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung


    Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt  -  Sektion Paläoanthropologie  
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    Humanethologisches Filmarchiv

       Das Humanethologische Filmarchiv
       •   Kulturvergleichende Langzeitstudie
             (Bestände und Erschließung)      
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    Veröffentlichte Filme

       Filme aus dem HF und dem MPIV

    Publikationen

       Publikationen aus dem HF
       Publikationen von I. Eibl-Eibesfeldt

    Prof. Dr. Irenäus Eibl-Eibesfeldt

       Vita  -  † I. Eibl-Eibesfeldt

     

    Weitere Informationen

       Links zur Humanethologie
       Archiv: MVE-Tagung 2018 "Lebenszyklus & Alltag" 


     

     

       Impressum & Datenschutz

     



    Kulturvergleichendes Langzeit-Forschungsprogramm
    und Humanethologisches Filmarchiv

    gegründet von Prof. Dr. I. Eibl-Eibesfeldt
     



     Text veröffentlicht im Januar 2002       
     


    Abb. 1: I. Eibl-Eibesfeldt bei der Feldarbeit in
    Neuguinea: "Die Eipo Mutter und ihr Kind
    waren an meinem Verhalten ebenso interessiert,
    wie ich an ihrem." Foto: Dieter Heunemann

     

    In der zweiten Hälfte der sechziger Jahre entwickelte Prof. Dr. Irenäus Eibl-Eibesfeldt ein kulturenvergleichendes Programm, das in Film und Ton ungestellte soziale Interaktionen des Alltags, Rituale und andere Aktivitäten dokumentiert. Ein zentrales Anliegen dieser Arbeit bildet die Erforschung der Universalien im menschlichen Verhalten. In Longitudinalstudien wurden dazu traditionelle Kulturen verschiedener geographischer Regionen und unterschiedlicher Subsistenzstrategien erfaßt:
     

    • drei Kulturen der Kalahari-Buschleute als Modell altsteinzeitlicher Jäger und Sammler (seit 1970; die !Ko, G/wi und !Kung)
    • die Yanomami des Oberen Orinoko (seit1969) als Wildbeuter und beginnende Gartenbauer
    • die Eipo (seit 1975) des Berglandes von West-Neuguinea (Irian Jaya) als neusteinzeitliche Pflanzer
    • die Himba (seit 1971) als traditionelle Viehzüchter Namibias
    • die Bewohner der Trobriand-Inseln (seit 1981) und Balis (seit 1965).

     
    Darüber hinaus wurden Stichprobenerhebungen in Europa, in Zentralaustralien (Walbiri, Pintubi) und Arnhemland (Gidjingali), den Philippinen (Tboli, Tasaday, Agta) und anderen geographischen Regionen durchgeführt.

    Die Methode wurde in Pilotstudienin den sechziger Jahren erarbeitet. 1969 begann die systematische Dokumentation. Dabei wurden über Jahre und in einigen Fällen über mehr als drei Jahrzehnte dieselben Lokalgruppen besucht. Insgesamt wurden 16mm-Filmeund Videofilme (Mini DV, Hi 8 und S-VHS) mit einer Gesamtlänge von ca. 350.000 Meter, größtenteils mit Ton aufgenommen. Das Material lagert in der ehemaligen Forschungstelle für Humanethologie in der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), mit der strikten Auflage, das Original ungeschnitten zu erhalten. Es soll so späteren Forschergenerationen im Original für weitere Untersuchungen zur Verfügung stehen. Es handelt sich bei dem Filmarchiv weltweit um die umfangreichste Dokumentation dieser Art. Es gibt zwar viele völkerkundliche Filme, die jedoch meist auf vorgeführten Tätigkeiten basieren. Dagegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden - typischerweise sind diese Filme jedoch durch die Schnittechnik didaktisch aufbereitet und damit manipuliert. Darüber hinaus wurde die Dokumentation ungestellten Alltagsverhaltens in ethnologischen Filmen bisher vernachlässigt.

    Das Humanethologische Filmarchiv besteht hingegen größten-teils aus Aufnahmen ungestörten und ungestellten Sozial-verhaltens. Dazu wurde häufig die von Prof. Dr. Hans Hass entwickelte Spiegeltechnik eingesetzt (Abb. 1 und 2). Bei den älteren Filmen handelt es sich größtenteils um unwiederbring-liche Aufnahmen, da die genannten Ethnien mittlerweile einem raschen Kulturwandel unterlagen. Zeitlose und fächerüber-greifende Bedeutung hat das Archiv aber vor allem mit der so gegebenen Möglichkeit, die Filmaufnahmen verschiedenen Formen der Verhaltensanalyse zugrundezulegen, wie das verschiedentlich schon geschah, und zwar sowohl von Mitarbeitern unseres Teams als auch durch Kollegen anderer Institutionen (Publikationen des Filmarchivs).

    Abb. 2: Die von Prof. Dr. Hans Hass
    entwickelte Spiegelkamera. Foto: R. Krell.

    In Zusammenarbeit mit dem IWF Wissen und Medien in Göttingen und neuerdings auch mit dem österreichischen Bundesinstitut für den Wissenschaftlichen Film in Wien (ÖWF)wurden bis Ende 1998 aus unserem Filmmaterial 234 humanethologische und ethnologische Filme veröffentlicht (veröffentlichte Filme). Die meisten dieser Filme kamen im Rahmen der Encyclopaedia Cinematographica (EC) heraus, die unter Befolgung strenger Richtlinien sowohl als Beleg für bestimmte vom Forscher vorgetragene Thesen dienten, als auch darüber hinaus das Material für die weitere wissenschaftliche Auswertung verfügbar machen. Die Filme dokumentieren jeweils einen bestimmten Vorgang so ausführlich, daß sie als Ausgangsmaterial für Forschung und Lehre dienen können. In Publikationen werden die verbalen Interaktionen und Gesänge transkribiert sowie alle weiteren Angaben zu den Filmen veröffentlicht.

    Die Aufbereitung unseres umfangreichen Film- und Tonmaterials ist keineswegs abgeschlossen. Bis November 1997 wurden in Göttingen 21 weitere Enzyklopädie-Filme vorgestellt und abgenommen. Zu rund der Hälfte der bereits veröffentlichten Filme fehlen noch die Begleitpublikationen. Auch bedarf es der archivarischen Aufbereitung. Für viele Arbeiten ist es wichtig, daß man auch auf das ungeschnittene Archivmaterial zurückgreifen kann. Das Original und eine Originalkopie bleiben dazu unangetastet als "Quellenarchiv". EC-Einheiten werden von Originalduplikaten hergestellt. Da die Filmaufnahmen, sowie die Auswertung und die Archivierung des Quellenmaterials vor mehr als zwei Jahrzehnten begonnen wurde, ist das Archiv bisher ohne Einsatz von Computern geführt worden. Für die effektive wissenschaftliche Nutzung haben wir 1994 begonnen, das gesamte umfangreiche Humanethologische Archiv EDV-gestützt zu erschließen und zu indizieren. Für die künftige Nutzung dieses Archivs ist es besonders wichtig, alle Informationen in ein Datenbanksystem zu integrieren und damit komplexe Recherchen zu ermöglichen. Erst bei einer kompletten Erschließung und Indizierung des Archivs ist eine volle Nutzung auch durch fremde Wissenschaftler bzw. Institutionen gewährleistet.

    Mit der Emeritierung von Professor Eibl-Eibesfeldt im Juni 1996 wurde die Forschungsstelle Humanethologie der MPG, die bis dahin die Dokumentation, Auswertung und Veröffentlichung der Filme in Kooperation mit dem IWF finanziert hatte, geschlossen. Professor Eibl-Eibesfeldt wurde ein Emeritus-Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt, um die weitere wissenschaftliche Auswertung und die Aufbereitung des Filmarchivs zu ermöglichen. Für die EDV-gestützte Erschließung und Indizierung des Filmarchivs stellte die Volkswagenstiftung großzügig Mittel zur Verfügung. 

    Für die Zukunft hatte Eibl-Eibesfeldt nach seiner Emeritierung die Übernahme des Humanethologischen Filmarchivs in ein "Haus des Menschen" vorgesehen, das als museale Bildungsstätte und Forschungseinrichtung den Menschen in den Mittelpunkt stellt und die Möglichkeit eröffnet, den umfangreichen Datenbestand des Filmarchivs zugänglich und für wissenschaftliche Forschung und öffentliche Bildung nutzbar zu machen. Vor dem Hintergrund der Vielfalt der Kulturen, der Andersartigkeit und auch Gegensätzlichkeit menschlicher Lebensweisen, sollten hier Erkenntnisse der Humanethologie, wie die weltweit verbindenden Gemeinsamkeiten in Entwicklung und Verhalten des Menschen einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht und damit ein Beitrag zur politischen und sozialen Bildung geleistet werden, um durch Kenntnis und Verstehen des alle Menschen Verbindenden Feindseligkeiten abzubauen und Toleranz gegenüber anderen Kulturen zu fördern. Parallel zur musealen Funktion von Ausstellung und Archivierung sollte die weitere wissenschaftliche Auswertung und Veröffentlichung von Filmen und die Fortführung der Langzeit-Dokumentation menschlichen Verhaltens erfolgen. Angestrebt werden sollte auch eine enge Anbindung an ein Museum für Völkerkunde und die Vernetzung mit anderen Institutionen verwandter Ausrichtung.

    Zur Zeit ist der Zugriff auf das Archiv nur mit Hilfe eingearbeiteter Mitarbeiter möglich.
     

     Text auf der Homepage des ehemaligen Humanethologischen Filmarchivs in der Max-Planck-Gesellschaft, Januar 2002
     



    Anfang 2014 beschlossen Irenäus Eibl-Eibesfeldt und die Max-Planck-Gesellschaft gemeinsam, das Humanethologische Filmarchiv der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung zu übertragen. Mit der nun erfolgten Übernahme durch die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung sind ideale Voraussetzungen für die Zukunft der wissenschaftlichen Arbeiten des Humanethologischen Filmarchivs gegeben.