Eibl-Eibesfeldt arbeitete die ersten zwanzig Jahre
seiner wissenschaftlichen Laufbahn als Tierethologe. Er begann seine Forschungsarbeit
bereits als Student 1946 auf der Biologischen Station Wilhelminenberg in
Wien. Als Konrad Lorenz 1948 aus der Gefangenschaft zurückkam, schloß
er sich ihm an und folgte ihm 1951, als er einen Ruf der Max-Planck-Gesellschaft
erhielt, nach Deutschland. Schwerpunkte seines Interesses bildeten Fragen
der Verhaltensentwicklung und die Kommunikation. Seine Experimente trugen
entscheidend zur Klärung des Streits um das Angeborene im Verhalten
der Säuger bei. Das Kommunikationsthema schulte ihn in der Methodik
des Vergleichens und es erlaubte ihm, als Teilnehmer der beiden Xarifa-Expeditionen
von Hans Hass so verschieden-
artige Phänomene wie die Turnierkämpfe
der Galápagos Meerechsen, die von im entdeckten Putzsymbiosen der
Korallenfische und die Zeremonien der Balz und Brutablösung der Fregattvögel
und flugunfähigen Kormorane unter einem gemeinsamen theoretischen
Aspekt zu studieren. Eibl-Eibesfeldt erarbeitete sich in dieser Zeit die
theoretischen Grundlagen der Ethologie und präsentierte diese in dem
ersten umfassenden Lehrbuch dieses Faches - einem Grundriß der vergleichenden
Verhaltensforschung - der mittlerweile in der 9. Auflage und in mehreren
Übersetzungen vorliegt. In die zoologische Phase fällt auch die
von ihm initiierte und geführte UNESCO-Expedition zu den Galápagos-Inseln
(1957), die zur Gründung einer biologischen Station führte.
In den sechziger Jahren begann Eibl-Eibesfeldt
mit dem Aufbau eines kulturenvergleichenden Dokumentations-programmes in
Film und Ton zur Aufdeckung von Universalien im menschlichen Sozialverhalten.
Dazu nahm er mit einer Technik der unobtrusiven Aufnahme das ungestellte
Alltagsverhalten und die Rituale von Menschen in traditionellen Kulturen
in Afrika, Indonesien, Neuguinea, Polynesien und Südamerika auf. Als
Ergebnis dieser Forschungen entwickelte sich die Humanethologie als selbständiger
Forschungszweig, der in der Forschungsstelle für Humanethologie der
Max-Planck-Gesellschaft gefördert wurde. In einem Grundriß der
Humanethologie stellte er das neue Gebiet 1984 vor (5. Auflage 2004).
Nachdem es damit als erwiesen galt, dass auch das
Wahrnehmen und Handeln des Menschen durch stammesgeschichtliche Vorprogrammierungen
entscheidend mitbestimmt werden, widmete er seine Forschung nunmehr der Klärung
der Frage, wie der Mensch in seinem Bemühen, sich kulturell an die
Neuzeit anzupassen, mit diesen ihm angeborenen Vorgaben umgeht. Die stammesgeschichtlichen
Anpassungen, die den Menschen auszeichnen, entwickelten sich ja in jener langen
Zeit, in der seine Ahnen als altsteinzeitliche Wildbeuter in individualisierten
Kleingesellschaften lebten. Als höchst erfolgreiche Spezies schufen
wir uns die anonyme Großgesellschaft, die technische Zivilisation
und die Großstadt, und damit eine Umwelt, die uns zwar ungeahnte
neue Möglichkeiten eröffnet, zugleich aber auch Probleme beschert,
da manche unserer Anlagen nicht zu den neuen Lebensbedingungen passen.
Diese Problemanlagen, zu denen unser Kurzzeitdenken ebenso wie unser Machtstreben
gehören, gilt es aufzudecken, um mit ihnen umgehen zu können.
Damit beschritt Eibl-Eibesfeldt ein neues Arbeitsgebiet, das interdisziplinäre
Zusammenarbeit erforderte. Im Rahmen dieser kulturethologischen Forschungen
erarbeitete er mit einer Kunsthistorikerin ein grundlegendes Werk zur Ethologie
der Kunst (2007).
Mit der Erforschung der Anpassungsschwierigkeiten
der Großstadtmenschen befasste sich eine Forschergruppe in dem
von ihm in Wien gegründeten Ludwig-Boltzmann-Institut für Stadtethologie.
In München bemühte sich eine interdisziplinäre Kommission,
der er angehörte, um die Einrichtung eines humanwissenschaftlichen
Zentralinstituts mit dem Anliegen, die Kulturwissenschaften mit den biologischen
Wissenschaften zusammen-zuführen. Das Humanwissenschaftliche Zentrum (HWZ)
existiert seit Anfang 1998.
Bereits früh setzte sich Eibl-Eibesfeldt
für die Erhaltung der natürlichen Ökosysteme ein. Nach seiner
Rückkehr von der Xarifa-Expedition erarbeitete er 1955 ein Memorandum
für die UNESCO und IUCN mit Vorschlägen zum Schutz der bedrohten
Galápagos-Fauna und Flora. Im Auftrag der UNESCO bereiste er die
Inseln 1957. Seine Initiative führte zur Gründung der Charles
Darwin Station auf den Inseln und zur Einrichtung von Schutzgebieten, die
sich bis heute bewähren. Mit der Frage, warum wir Natur lieben und
dennoch zerstören, beschäftigt sich eines seiner letzten Bücher.
Irenäus Eibl-Eibesfeldt starb am 2. Juni 2018 in
Starnberg-Söcking im Kreis seiner Familie.
Publikationen
Einige Mitgliedschaften:
seit:
1957 Deutsche Zoologische Gesellschaft
1959 Gründungsmitglied der Charles Darwin Foundation
for the Galápagos (1962 Executive Council)
1963 Korrespondierendes Mitglied der Senckenberg
Gesellschaft für Naturforschung
1972 Gründungsmitglied der International Society
for Research on Aggression
1972 Gründungsmitglied der International Society
for Human Ethology
(Exekutivkomitee 1978 - 1982; Präsident 1985 - 1991)
1977 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher
Leopoldina
1978 Gründungsmitglied des PEN-Club Liechtenstein
1979 Mitglied der Australian Forensic Society
1980 Gründungsmitglied der Konrad-Lorenz-Gesellschaft
für Umwelt- und Verhaltenskunde
1983 The Jane Goodall Institute for Wildlife, Research,
Education & Conservation (Program Review Council)
1985 korrespondierendes Mitglied der Namibia
Wissenschaftlichen Gesellschaft
1987 Fellow of the American Association for the
Advancement of Sciences
1988 Mitglied der Polnischen Akademie für
Sexualforschung (Academia Scientia Sexuologicae Polonia)
1990 Gründungsmitglied der Academia Scientiarum
et Artium Europaea
1990 Beiratsmitglied des Konrad-Lorenz-Instituts für Kognitionsforschung in Altenberg
1991 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats
der ÖAMTC-Akademie
1991 - 2008 Begründer und wissenschaftlicher Direktor
des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Stadtethologie in Wien
1993 Beiratsvorsitzender der Peter und Traudl
Engelhorn Stiftung zur Förderung der Biotechnologie und Gentechnik
1997 Gründungsmitglied des Humanwissenschaftlichen
Zentrums (HWZ) der Ludwig-Maximilians-Universität München
1998 Beiratsmitglied der Heinz Sielmann Stiftung
1998 Ehrenmitglied der Österreichisch-Bayerischen
Gesellschaft in München
1998 Mitglied der Deutschland-Stiftung e.V.
sowie Mitgliedschaften in zahlreichen anderen wissenschaftlichen
Organisationen und Gesellschaften
wie der Animal Behavior Society, Gesellschaft für Anthropologie (1968), Gesellschaft für
bedrohte Völker (1977), Deutsche Liga für das Kind
(ehem. Kuratoriumsmitglied), Arbeitsgemeinschaft für Ethnomedizin (1978), Ethologische
Gesellschaft (1980), u.a.m.
Auszeichnungen:
1971 Goldene Bölsche Medaille der Kosmos-Gesellschaft für Verdienste um die Verbreitung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse
1981 Burda-Preis für Kommunikationsforschung (in medias res)
1988 Philip Morris Forschungspreis für Projektentwicklung des neuen Fachgebietes Humanethologie
1989 Goldene Ehrenmedaille der Stadt Wien
1993 Tauchpionierpreis des Tauchclubs Salzkammergut International
1994 Verleihung der Ehrendoktorwürde für Philosophie der Universität Salamanca, Spanien
1995 Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
1996 Nationalparklibelle in Gold mit Rubinen und Brillianten für außerordentliche Verdienste
um den internationalen Naturschutz, verliehen von der Nationalpark-Akademie Donau-Auen des Naturhistorischen Museums Wien
1996 Schwenk'scher Umweltpreis der Stadt Ebersberg
1997 Goldener Bratspieß der Chaîne des Rôtisseurs Bailliage de Haute-Bavière
1997 Gold-Medaille der Dres. Haackert Stiftung, verliehen für hervorragende Verdienste um die Erforschung des menschlichen Verhaltens
1997 Bayerischer Verdienstorden, verliehen durch den Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. E. Stoiber.
1997 Jahrespreis der Stiftung für Abendländische Ethik und Kultur (STAB) aus Zürich.
1998 Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse
1998 Inge und Werner Grüter-Preis für Wissenschaftpublizistik für seine Verdienste um die Meeresbiologie
und Riffforschung
1999 "Premio Catedra Santiago Grisolía" für die Verdienste um die Erforschung der Ethologie des Menschen und
der Aggressivität; Centro Reina Sofía, Valencia, Spanien
2001 Große Goldene Peutinger Medaille
2001 Ehrenpreis der Heinz Sielmann Stiftung für den Einsatz für den Naturschutz, vor allem auf den Galápagos-Inseln
2003 Goldenes Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien
2005 Verleihung der Ehrendoktorwürde für Psychologie der Universität Bologna, Italien
2007 Orden Nacional Al Mérito de la Republica del Ecuador en Grado de Comendador
(Verdienstorden der Republik Ecuador), Quito, Ecuador
2011 Premio Nonino Literaturpreis für sein Lebenswerk, Udine, Italien
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